Die Märchen-Fee

Als die Regentin an diesem Morgen ans Fenster trat, dort die herumlungernden Pressefuzzis sah, wollte sie diese nicht unverrichteter Dinge von dannen ziehen lassen und faßte den Entschluß, was Epochales zu verbreiten!
So trat sie auf den Balkon und verkündete, daß all die Beladenen, Geknechteten und Verfolgten dieser Welt in ihr Reich kommen könnten, dort versorgt würden und man sich um sie kümmern möchte!
Diese Nachricht umrundete die Welt in Stunden. Im fernen Afrika, im weniger fernen Arabien und Asien schlug die Nachricht wie eine Bombe ein!
Ganze Heere machten sich unverzüglich auf die Reise in dieses Märchenland in der Mitte Europas. Weil man sich auf den Stern Angela, der aufgegangen war, nicht hundertprozentig verlassen konnte, wurden die Mobilfunkgeräte mit der Navigation geladen und der Weg in Angriff genommen.
Über Berge und durch Täler, durch zerbombte Städte und Dörfer und letztlich dann noch übers Meer auf schwankendem Bott und durch unwirtliche Gegenden nördlich dieses Meeres.
Gut, daß überall auf dem beschwerlichen Weg über tausende Kilometer, Akku-Ladestationen für die Mobilfunkgeräte vorhanden waren! Mit Wasser und Nahrung war es nicht so einfach! Und irgendwie störten dann noch Polizei und Sicherheitskräfte in einigen Ländern.
Aber endlich war es geschafft!
An der Grenze des Landes, das man erreichen wollte, mußten dann noch ein paar Ungereimtheiten geklärt werden! Ist es besser, ein Syrer zu sein? Oder ein Afghane? Oder ein Iraker? Palästinenser geht auch?
Mal umhören und die Nachrichten von der Verwandtschaft einholen, die schon die Grenze passiert hat!
Paß mitnehmen? Wegwerfen? Andere Papiere mitführen oder zurücklassen? Mal überschlagen, welchen Beruf man angibt?
Alles will überlegt sein, wenn man in das Land seiner Wünsche einreisen will und es nun bald geschafft hat!
Nun noch das Plakat mit dem Konterfei der Regentin ausrollen, und los, unkontrolliert und unerfaßt  über den Checkpoint!
Aber nun standen da eine Menge von Menschen, die jubelten, die Stofftiere warfen, Wasser reichten, sich einfach freuten, daß so viele Menschen aus fernen Landen ankamen.
Der Höhepunkt, auch Tiefpunkt genannt, kam nun. Eine Turnhalle war das Domizil, das angeboten wurde. Nicht ein Haus, eine Wohnung. Viele landeten gar in Zelten oder Containern! Angekündigt wurde, daß man weitergereicht würde in andere Lager mit ähnlichen Behausungen! Also alles weit weg von dem, was man sich von der Ankündigung der Regentin versprochen hatte! Nicht viel Geld und wenig Arbeit!
Das Navi zeigte zwar: "Sie haben ihr Ziel erreicht". Aber das Wunschziel war es wohl nicht!
Zudem zog ein vorgezogener Winter ein! Nicht die Sonne, die man in der Heimat so reichlich hatte, sondern Eis und Schnee, kalter Wind beherrschte das Land. Und dies war nur der Anfang.
Dem Flüchtling wurde klar, die Regentin hatte zuviel versprochen, oder sie hatte sich versprochen. Ihr eigenes Volk schien das langsam auch so zu sehen und wandte sich in Umfragen gegen sie! Der Stern begann zu sinken.


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

"Saure" teure Erdbeeren vom Niederrhein

Bares für Rares

Löw mit Fans unzufrieden